In der Wildschönau, einem abgelegenen Hochtal in den Kitzbüheler Alpen, wird ein Schnaps gebrannt, wie es ihn sonst nirgends gibt
Ja klar, in der Wildschönau gibt es mehr als den Krautinger. Und sicher doch, aus der weißen Stoppelrübe kann man mehr machen als einen Schnaps. Alljährlich im Herbst findet in der Wildschönau die Krautingerwoche statt, in der es nicht nur den legendären Schnaps, sondern alles Mögliche von der weißen Stoppelrübe gibt. Zum Beispiel Rübensuppe, Rübenkuchen und „Rüben-Schlutzkrapferl“. Das sind mit Speck, Zwiebeln, Weißkraut und eben jener Rübe gefüllte Teigtaschen. Mit ihrer weißen Stoppelrübe im Allgemeinen und dem Krautinger im Besonderen hat es die Wildschönau bis zur „Genussregion“ geschafft – dieses Gütesiegel wird in Österreich an Regionen verliehen, die in kulinarischer Hinsicht etwas ganz Besonderes vorzuweisen haben. In diesem Jahr kommt es bereits zur 14. Auflage der Krautingerwoche.
Ein Höhepunkt der Krautingerwoche ist das Erntedankfest, auf dem auch die weiße Stoppelrübe ihren Segen erfährt. Im Bergbauernmuseum z’Bach in Oberau wird die Krautingerwoche mit einem Herbstfest gefeiert. Der sogenannte Museumskirchtag ist nicht nur ein besonderes Erlebnis für Urlauber und Gäste, sondern auch für die Wildschönauer selbst. Schließlich treten hier ihre Sturmlöda auf – eine historische Wehrtruppe, die auf Andreas Hofer zurückgeht. Vor über 200 Jahren mobilisierte der berühmte Tiroler Freiheitskämpfer hier in der Wildschönau die letzten Reserven für den Kampf gegen Napoleon und die Bayern. „Wer kein Schießgewehr hat, möge Spieße oder Mistgabeln an lange Stangen machen!“ Genutzt hat die verzweifelte Aufrüstung letztlich wenig. Heute rücken die Nachfahren der mutigen Hofer-Mannen nur noch in friedlicher Mission und zu festlichen Anlässen aus, die Montur indes ist originalgetreu. Inklusive Mistgabel an langer Stange. Ein kulinarisches Highlight auf dem Herbstfest sind übrigens die berühmten Brodakrapfen – auch sie eine Wildschönauer Spezialität. Dabei handelt es sich um ausgebackene Teigtaschen, ähnlich den Rüben-Schlutzkrapferl, aber mit Graukäse gefüllt. Es muss nicht immer Rübe sein.
An Festen und Feiern gebricht es in der Wildschönau keineswegs – nach dem Kultursommer ist vor dem Herbstfest und der Krautingerwoche. Und große Namen haben sich auch angekündigt. Felix Mitterer, seines Zeichens Drehbuchautor und Schöpfer der „Piefke-Saga“, ist von 3. bis 5. Oktober Gast in der Wildschönau. Neben einem Literaturfrühstück am Berg steht auch das Theater „Weizen auf der Autobahn“ sowie die Filmvorführung „Verkaufte Heimat“ auf dem Programm.
Künste anderer Art gibt es auf dem Handwerksmarkt. Hier zeigen die Wildschönauer, wie ihre Vorfahren als Holzschnitzer und Drechsler, als Schuhmacher und Korbflechter gearbeitet haben. Auch fast vergessenes Kunsthandwerk wird vorgeführt. Das gute, alte Klöppeln, die schöne Goldstickerei, feine Glas- und Aquarellmalereien.
Zudem laden viele Krautingerbauern zu Führungen und Verköstigungen ein. Doch Krautinger ist nicht Krautinger, jeder Hof hat seine eigene Rezeptur. Und so schmeckt auch jeder Rübenschnaps ein bisschen anders. Doch vor dem Geschmack kommt der Geruch. Selbst die besten Freunde des Krautingers können nicht behaupten, dass er in dieser Disziplin überzeugt. Ein Rübenschnaps eben. Böse Menschen sagen, dass der Krautinger nach mehrfach getragenen Socken riecht. Einige behaupten sogar, dass er auch so schmeckt. Das ist natürlich üble Nachrede. Denn erstens ist es durchaus unüblich, gebrauchte Strümpfe zu verzehren, und zweitens wissen nur wahre Genießer den Krautinger zu schätzen. „Rüben waren früher Arme-Leute-Essen. Heute kommen die Menschen nur wegen des Krautingers zu uns“, sagt Josef Thaler, der größte Krautinger-Produzent in der Wildschönau.
Und kosten muss man den Krautinger unbedingt einmal. Schließlich ist er kein gewöhnlicher Schnaps von irgendwo. Der Krautinger wird aus der weißen Stoppelrübe gewonnen und darf ausschließlich in der Wildschönau in Tirol gebrannt werden. Dieses Privileg verdankt das Hochtal in den Kitzbüheler Alpen der Kaiserin Maria Theresia, die im 18. Jahrhundert den Bergbauern das Krautinger-Monopol einräumte, weil hier nicht einmal ordentliches Obst zum Schnapsbrennen gedieh. Dank Maria Theresia und der Stoppelrübe haben die Wildschönauer nun immerhin den Krautinger.
Die 14. Wildschönauer Krautingerwoche…
…findet vom 30. September bis 7. Oktober 2018 statt. In diesen Tagen dreht sich alles um die weiße Stoppelrübe und was man aus ihr machen kann. Außerdem gibt es zahlreiche Veranstaltungen, Märkte und Feste, auf denen die Wildschönauer ihre Genussregion vorstellen.
Über die Wildschönau
Die Wildschönau ist ein Hochtal, das sich auf 24 km Länge und in einer Höhenlage von 800 m bis 1200 m in den Kitzbüheler Alpen erstreckt. In den vier Kirchdörfern Niederau, Oberau, Thierbach und Auffach leben insgesamt 4.200 Einwohner.
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